Profil von Frédéric Chopin
- Chopin, Frédéric
- Komponist, Pianist
- 22.02.1810 - 17.10.1849
- Todesursache: Tuberkulose


Leben
Familie
Frédéric Chopins Eltern waren der aus Lothringen stammende Sprachlehrer Nicolas Chopin und die Polin Tekla Justyna Chopin, geborene Krzyżanowska. Zur Zeit von Chopins Großeltern wurde Lothringen von König Stanisław Bogusław Leszczyński regiert, der das Herzogtum 1737 als Entschädigung für den Verlust des polnischen Thrones erhalten hatte. Viele seiner polnischen Anhänger hatten in Lothringen eine neue Heimat gefunden. In Marainville, wo Nicolas Chopin, Chopins Vater, seine Jugend verbrachte, gab es eine größere Gruppe von polnischen Emigranten mit starken Bindungen nach Polen. Im Jahr 1787 verließ Nicolas Chopin mit einer polnischen Familie, die zurück in die Heimat wollte und sich um den Jungen gekümmert hatte, Frankreich. Nicolas nahm später in Polen die polnische Staatsbürgerschaft an und benutzte als Vornamen die polnische Form „Mikołaj“. Er arbeitete als Bürokraft und Hilfsarbeiter. Nach dem Untergang des Königreiches Polen 1795 verdiente er seinen Unterhalt als Hauslehrer für Französisch beim polnischen Adel. Später war er Französischlehrer am Liceum Warszawskie, zunächst als Collaborator und ab 1814 bis zur Schließung der Schule 1833 als Gymnasialprofessor.Die Eltern Chopins verband die Leidenschaft zur Musik: der Vater spielte Geige und Flöte, die Mutter spielte Klavier und sang. Die Eheschließung fand am 2. April 1804 statt. Sie hatten vier Kinder: Ludwika Maryanna (1807–1855), Fryderyk Franciszek (1810–1849), Justyna Izabella (1811–1881) und Emilia (1812–1827). =Geburt und Taufe
= Chopin wurde in Żelazowa Wola geboren, einem Dorf in der Gemeinde Brochów, Departement Warschau, im damaligen Herzogtum Warschau. Er wurde am 23. April 1810 (an einem Ostermontag) in der Kirche Świętego Rocha i Jana Chrzciciela (polnisch „des Heiligen Rochus und Johannes des Täufers“) von Brochów auf die Namen Fryderyk Franciszek getauft.Die beiden Urkunden verzeichnen als Geburtsdatum den 22. Februar 1810, aber sowohl Chopin als auch seine Mutter gaben als Geburtstag den 1. März 1810 an. In der Familie wurde Chopins Geburtstag immer am 1. März gefeiert. Da beide Daten auf einen Donnerstag fielen, wird heute angenommen, dass sich der Vater, als er bei der Meldung der Geburt zurückrechnete, eine Woche zu viel zählte und fälschlicherweise den 22. Februar als Geburtstag seines Sohnes eintragen ließ.Chopin in Polen (1810–1830)
=Kindheit, Jugend und erste Erfolge
= Im Herbst 1810 zog die Familie nach Warschau, wo sie ab Sommer 1812 im Sächsischen Palais (Pałac Saski) wohnte. Hier befand sich auch das Warschauer Lyceum, an dem Fryderyk Chopins Vater Mikołaj als Französischlehrer arbeitete. Um sein dürftiges Gehalt aufzubessern, richtete er in Räumen, die neben seiner Wohnung lagen, ein Pensionat mit Kost und Logis ein. Es konnten bis zu zehn Knaben aufgenommen werden, die aus höherstehenden Familien stammten. Im Sommer 1827, nach dem Tod von Chopins jüngster Schwester Emilia, die am 10. April 1827 der Tuberkulose erlag, zog die Familie Chopin in den Czapski-Palast (Pałac Czapskich) um und der Vater führte das Pensionat nicht mehr weiter. Häusliche Unterweisung Fryderyk und seine Schwestern erhielten eine gründliche Erziehung, die von Herzlichkeit und Toleranz geprägt war. Auf Wunsch seines Vaters erhielt Chopin bis zu seinem 13. Lebensjahr Hausunterricht. Im Alter von vier Jahren kamen Fryderyk und seine ältere Schwester Ludwika durch die musizierenden Eltern in Kontakt mit dem Klavier. Unter der Anleitung seiner Mutter machte der Junge schnell Fortschritte im Klavierspiel und zeigte eine große manuelle und musikalische Begabung. Privatunterricht (1816–1822) Die Eltern übergaben 1816 dem tschechischen Privatmusiklehrer Wojciech Żywny (1756–1842), der auch Schüler des Internats unterrichtete, Fryderyk zur weiteren Ausbildung. Żywny, von Haus aus Geiger, blieb der einzige Klavierlehrer Chopin. Er war selbst kein großer Instrumentalist, legte aber als Verehrer Johann Sebastian Bachs die Grundlage für Chopins lebenslange Liebe zur Musik des Thomaskantors. Żywny, der bei den Chopins den Status eines Familienmitgliedes genoss, gab seinen Schülern eine solide Grundausbildung und ermutigte den jungen Chopin zum Improvisieren am Klavier und Komponieren. Unter Żywnys Anleitung entstanden die ersten Kompositionen, die Polonaisen g-Moll und B-Dur aus dem Jahr 1817. Die Presse machte auf die Veröffentlichung des Erstlingswerkes und das außergewöhnliche Talent des Kindes aufmerksam. Am 24. Februar 1818 hatte Fryderyk seinen ersten öffentlichen Auftritt in einem Konzert auf der Theaterbühne des Radziwiłł-Palastes (Pałac Radziwiłłów) mit dem Klavierkonzert e-Moll von Adalbert Gyrowetz. Das berühmt gewordene Kind, das die Presse als „polnischen Mozart“ bezeichnete, wurde bald in die Salons des Adels in Warschau eingeladen und wegen seines Spiels und seiner Fähigkeit zu improvisieren, als Attraktion herumgereicht. 1822, nach sechs Jahren, beendete Żywny den Klavierunterricht und ließ den zwölfjährigen Chopin seinen eigenen Weg gehen, den dieser autodidaktisch, also ohne Anleitung eines Lehrers, mit dem Instinkt des Hochbegabten bis zur Virtuosität beschritt. Er studierte die Werke von Johann Nepomuk Hummel, Ludwig van Beethoven, Carl Maria von Weber, Carl Czerny, Ignaz Moscheles, John Field und Ferdinand Ries, die sein virtuoses Spiel und den eigenen Kompositionsstil formten. Ab 1822 nahm Chopin Privatunterricht in Musiktheorie und Komposition bei dem aus Schlesien stammenden Deutschen Joseph Elsner (polnisch: Józef Elsner) Am 24. Februar 1823 trat Chopin im Rahmen einer Konzertreihe für wohltätige Zwecke mit einem Klavierkonzert von Ferdinand Ries auf und bereits am 3. März 1823 ein weiteres Mal mit dem Klavierkonzert Nr. 5 C-Dur von John Field. Die Rezensionen beider Konzerte würdigten die guten pianistischen und musikalischen Fähigkeiten des jungen Virtuosen. =Studium an der Musikhochschule (September 1826 – Juli 1829)
= Chopin besuchte drei Jahre lang bis zum 27. Juli 1826 das Warschauer Lyzäum (Lyceum Warszawskie). Er machte aber nicht das für ein Universitätsstudium notwendige Zusatzjahr, sondern begann im September 1826 sein Studium an der von Józef Elsner geleiteten Szkoła Główna Muzyki (deutsch: Musikhauptschule) in Warschau. Sie trägt heute als Uniwersytet Muzyczny Fryderyka Chopina seinen Namen. Chopin wurde von Elsner in Kontrapunkt, Generalbass und Komposition unterrichtet. Er komponierte eifrig und legte Elsner die Ergebnisse vor, der dazu feststellte, dass Chopin mit seinem ungewöhnlichen Talent die ausgetretenen Pfade und gewöhnlichen Methoden meide. Chopin hatte während seines Studiums keinen Klavierunterricht mehr. Er arbeitete autodidaktisch weiter und entwickelte seine eigene Art des Klavierspiels, die bis zur höchsten Virtuosität führte. Seine sonstigen Interessen waren weit gefächert. Im Juli 1829 beendete Chopin sein Studium. In Elsners Beurteilung heißt es: „Szopen Friderik. Besondere Begabung, musikalisches Genie“ (polnisch „Szopen Friderik. Szczególna zdolność, geniusz muzyczny“). Ein Gesuch der Eltern beim zuständigen Minister um Unterstützung bei der Finanzierung einer längeren Auslandsreise zur Weiterbildung des jungen Künstlers hatte keinen Erfolg. So entschied die Familie, Frédéric für einige Zeit nach Wien reisen zu lassen. Während der Studienzeit bei Józef Elsner entstanden von 1826 bis zum Abschluss im Juli 1829 folgende Werke: – Variationen für Klavier in E-Dur über ein deutsches Volkslied („Steh‘ auf, steh‘ auf, o du Schweizer Bub“) (1826). – Rondo à la Mazur in F-Dur op. 5 (1826) – Variationen über das Duett „Là ci darem la mano“ aus Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Don Giovanni für Klavier und Orchester op. 2 – Nocturne in e-Moll op. 72/1 (1827) – Zahlreiche Einzelstücke wie Walzer, Mazurken und Polonaisen, die erst nach Chopins Tod (1849) veröffentlicht wurden. – Rondo in C-Dur für zwei Klaviere op. 73 (1828) – Große Fantasie über polnische Melodien für Klavier und Orchester in A-Dur op. 13 (1828) – Rondo à la Krakowiak für Klavier und Orchester in F-Dur op. 14 (1828) – Sonate Nr.1 für Klavier in C-Dur op. 4 (op. posth.) (1828) – Klaviertrio in g-Moll op.8 (1828-1829) – Einige der Polnischen Lieder nach Texten von Stefan Witwicki (1829). – Konzert Nr. 2 in f-Moll für Klavier und Orchester op. 21 (1829, erst nach dem Abgang von der Musikschule vollendet). – Konzert Nr. 1 in e-Moll für Klavier und Orchester op. 11 (erst 1830, nach dem f-Moll Konzert und nach dem Abgang von der Musikschule vollendet). Während seiner Studienzeit spielte Chopin regelmäßig die Orgel in der Visitantinnen-Kirche. (Kościół Wizytek). In die Zeit von Frédérics erstem Studienjahr kam über die Familie ein Unglück, von dem sich weder die Eltern, noch die Kinder jemals wieder erholen würden. Am 27. April 1827 starb nach einer langen Leidenszeit die jüngste Tochter Emilia mit 14 Jahren an Tuberkulose. =Jugendfreundschaften
= Zu Chopins engsten Jugendfreunden oder vielleicht auch Geliebten, zählte Tytus Woyciechowski (1808–1879). Er war Studienkollege Chopins am Warschauer Lyceum und häufiger Gast der Familie Chopin. Jugendfreunde, wie Tytus Woyciechowski, Jan Białobłocki, Jan Matuszyński, Dominik Dziewanowski und Julian Fontana blieben ihm lebenslang verbunden. Tytus Woyciechowski, den Chopin in seinen Briefen mehrfach mit „Mein liebstes Leben“ ansprach, hatte wie Chopin bei Vojtěch Živný Klavierunterricht und studierte dann Jura an der Universität Warschau. Chopin widmete ihm die Variationen B-Dur op. 2 über das Duett Là ci darem la mano (deutsch „Reich mir die Hand, mein Leben“) aus Mozarts Oper Don Giovanni. Die Frage, ob zwischen Titus und Fryderyk eine homosexuelle Beziehung bestand, wie es die überschwängliche, erotische Sprache von Chopins Briefen nahelegt, ist schwer zu beurteilen, weil keine Briefe von Titus erhalten sind. Titus Woyciechowski scheint, darauf weist Zieliński aufgrund von Stellen in Chopins Briefen hin, von Chopins Verhalten irritiert gewesen zu sein. Tytus Woyciechowski soll der Vertraute während Chopins angeblicher Beziehung zu der Sängerin Konstancja Gładkowska (1810–1889) gewesen sein. Es gibt dafür allerdings keine stichhaltigen Belege. Als Chopin am 2. November 1830 Warschau verließ, wirkte sie auf seine Bitte zusammen mit der Sängerin Anna Wołków in seinem Abschiedskonzert am 11. Oktober 1830 im Nationaltheater in Warschau mit. =Frühe Reisen
= Schon in seiner Jugend war Chopin viel gereist. Reisen waren bis an sein Lebensende Bestandteil seines Lebens. Seine Interessen waren breit gestreut. Er besuchte Museen, Ausstellungen, Konzerte und Opern, Bibliotheken, Universitäten und bewunderte Bauwerke und deren Architektur. Zu Chopins Zuhörern und Förderern gehörten die reichsten polnischen Familien, wie Radziwiłł, Komar, Potocki, Lubomirski, Plater, Czartoryski u. a., die teils auch später als Emigranten in Paris und als Förderer seiner Kunst eine große Rolle in Chopins Laufbahn spielen sollten. Reise nach Berlin (9.– 28. September 1828) Chopin, begierig das Musikleben anderer Städte und namhafte Künstler kennenzulernen, hatte im September 1828 die Gelegenheit, den Zoologieprofessor an der Universität Warschau, Felix Jarocki, einen Freund der Familie Chopin, zu einem Kongress nach Berlin zu begleiten, den Alexander von Humboldt organisierte. Sein Wunsch, mit den Größen des Berliner Musiklebens wie zum Beispiel Carl Friedrich Zelter, Gasparo Spontini oder Felix Mendelssohn Bartholdy in Kontakt zu treten, erfüllte sich nicht, teils weil er zu unsicher war, auf die berühmten Musiker zuzugehen. Zahlreiche Besuche von Konzerten und Opernaufführungen (Carl Maria von Webers Freischütz), wobei ihn die Aufführung von Georg Friedrich Händels Caecilienode in der Berliner Singakademie unter der Leitung von Carl Zelter am stärksten beeindruckte, gestalteten die zweiwöchige Berlinreise zu einem für die künstlerische Entwicklung Chopins wichtigen Ereignis. Ohne selbst zum hohen Adel zu zählen, hatte Chopin seit seiner Kindheit aufgrund seines musikalischen Talentes Umgang mit Adelsfamilien. Dies hatte neben seiner familiären Sozialisation einen wichtigen Einfluss auf seine Persönlichkeitsentwicklung. Zeit seines Lebens war ihm wichtig, sich in hohen Kreisen angemessen bewegen zu können, angesehen und geachtet zu sein. Nach Abschluss des Hochschulstudiums im April 1829 stellte Chopins Vater ein Gesuch beim zuständigen Minister um Unterstützung bei der Finanzierung einer längeren Auslandsreise zur Weiterbildung des jungen Künstlers. Weil es abgelehnt wurde, entschied die Familie, Frédéric für einige Zeit nach Wien reisen zu lassen. Erster Aufenthalt in Wien (31. Juli – 19. August 1829) Die Reise begann im Juli 1829 in Begleitung von vier Bekannten. Stationen waren Krakau, Bielsko (deutsch Bielitz), Teschen (polnisch Cieszyn) und Mähren. Nach der Ankunft in Wien am 31. Juli 1829 besuchte Chopin polnische Freunde und den Verleger Tobias Haslinger. Dieser versprach, Chopins 1827/28 entstandenes Opus 2, Variationen über das Duett „Là ci darem la mano“ aus Mozarts Oper Don Giovanni für Klavier und Orchester, herauszubringen unter der Bedingung, dass Chopin es vorher in einem Konzert spielte und positive Kritiken den Verkauf förderten. Das Konzert fand am 11. August 1829 im Wiener Kärntnertortheater statt. Chopin spielte neben der Uraufführung der Mozart-Variationen op. 2 noch eine „Freie Fantasie“, eine Improvisation über ein Thema aus der Oper La dame blanche (deutsch Die weiße Dame) von François-Adrien Boieldieu sowie ein polnisches Volkslied. Das Konzert wurde von Zuhörern und Presse als Erfolg gefeiert, führte zu Begegnungen Chopins mit Vertretern der Wiener Musikszene und zu einem zweiten, noch erfolgreicheren Konzert am 18. August 1829, in dem Chopin neben seinen Mozartvariationen auch den Krakowiak, Grand Rondeau de Concert F-Dur op. 14 spielte. Die Kritiken zu beiden Konzerten hoben das nuancenreiche, virtuose Spiel Chopins hervor und lobten die Zartheit seines Anschlages. Man fand aber, dass er zu leise spielte, ein Vorwurf, den Chopin im Verlauf seiner späteren Karriere noch öfter hören sollte. Die Kompositionen wurden dabei in der Neuartigkeit ihrer Klangsprache nicht immer verstanden. Über die im Wiener Verlag Tobias Haslinger erschienene Notenausgabe brachte die Allgemeine musikalische Zeitung vom 7. Dezember 1831 unter dem Titel Ein Opus II eine Rezension von Robert Schumann, die mit dem Ausruf „Hut ab, Ihr Herren, ein Genie“ eingeleitet wurde. Weiter hieß es: „Chopin kann nichts schreiben, wo nicht spätestens nach dem siebten, achten Takt ausgerufen werden muss: Das ist Chopin!“ An anderer Stelle: „Chopins Werke sind wie unter Blumen verborgene Kanonen“. Chopin verließ Wien mit seiner Begleitung am 19. August 1829. Nach einem dreitägigen Aufenthalt in Prag, einer ausgiebigen Besichtigung der Baudenkmäler und Gemäldegalerie Dresdens sowie dem Besuch einer Aufführung von Goethes Faust erfolgte die Abreise aus der sächsischen Hauptstadt am 29. August 1829. Der Rückweg nach Warschau, das am 10. September 1829 erreicht wurde, ging über Breslau und Kalisz. =In Warschau bis zur Ausreise (10. September 1829 – 2. November 1830)
= Nach der Rückkehr aus Wien widmete sich Chopin intensiv dem Musikleben Warschaus und dem eigenen Schaffen. Wichtige Werke aus dieser Zeit sind das Klavierkonzert f-Moll op. 21, einige der Etüden op. 10, die Polonaise f-Moll op. 71 Nr. 3 und die Walzer op. 70 Nr. 1–3. Die Uraufführung des Klavierkonzertes f-Moll (1836 als 2. Klavierkonzert op. 21 veröffentlicht) fand in kleinem, privatem Rahmen vor geladenen Gästen am 7. Februar 1830 statt. Die öffentliche Aufführung erfolgte am 17. März 1830 im Nationaltheater am Krasiński-Platz in Warschau. Die Rezensionen des Konzertes, in dem Chopin auch seine Grande Fantaisie sur des airs nationaux polonais A-Dur op. 13 spielte, waren sehr positiv. Am 22. März 1830 trat Chopin erneut im gleichen Theater auf. Dieses Mal spielte er neben dem f-Moll Klavierkonzert den Krakowiak, Grand Rondeau de concert F-Dur op. 14 und Improvisationen über Themen aus polnischen Opern (Jan Stefani: Krakowiacy i górale „Die Krakauer und die Bergbewohner“; Karol Kurpiński: Novi Krakowiacy „Die neuen Krakauer“). Auch dieses Konzert war sehr erfolgreich. Noch vor der endgültigen Abreise Chopins entstanden u. a. die Nocturnes op. 9 und das Klavierkonzert e-Moll (1833 als 1. Klavierkonzert op. 11 veröffentlicht). Am 8. Juli 1830 spielte Chopin in einem Benefizkonzert im Nationaltheater Warschau seine gerade im Druck erschienenen Variationen op. 2 über „Là ci darem la mano“ aus Mozarts Don Giovanni. Zwei Tage später, am 10. Juli, reiste Chopin für zwei Wochen zu Tytus Woyciechowski auf dessen Hof im 300 km entfernten Poturzyn. In einem Brief vom 21. August 1830 aus Warschau an Titus drückt Chopin seine Gefühle der Freude und Sehnsucht aus, die der Besuch in ihm ausgelöst hat.Sein letztes Konzert in Polen gab Chopin am 11. Oktober 1830 im Nationaltheater Warschau (Teatr Narodowy) mit der Wiedergabe seines Klavierkonzertes e-Moll (op. 11) und der Grande Fantaisie sur des Airs Nationaux Polonais pour le Pianoforte avec accompagnement d’Orchestre („Große Fantasie über polnische Weisen für das Pianoforte mit Orchesterbegleitung“ A-Dur op. 13) unter der Leitung von Carlo Evasio Soliva.Chopin im Ausland (1830–1849)
Chopin wusste, dass die wirklich großen Musiker nicht in Warschau und auch nicht mehr in Wien, sondern in Paris, der Hochburg für Künstler aus aller Welt im 19. Jahrhundert, zu finden waren. Es war ihm klar, dass Warschau zu seiner künstlerischen Entwicklung nichts mehr beitragen konnte. Die Größe eines Pianisten wurde damals am Erfolg in der Pianistenmetropole Paris gemessen. Erstmals schickten ihn seine Eltern und sein Lehrer 1829 für drei Wochen nach Wien, um seine künstlerischen Erfahrungen zu erweitern. =Chopin verlässt Polen (4. November 1830)
= Chopin verließ Warschau am 2. November 1830 im Alter von 20 Jahren – auch auf Drängen seines Vaters vor der drohenden Revolte – und reiste zusammen mit Tytus Woyciechowski über Kalisz, das er am 4. November 1830 verließ, nach Breslau, Prag und Dresden nach Wien, wo er am 23. November 1830 ankam. Am Stadtrand, wo Chopin auf die Kutsche wartete, bereitete ihm Elsner eine Überraschung. Er sang mit einem kleinen Chor des Konservatoriums ein Abschiedslied, das folgenden Refrain enthielt: =Zweiter Aufenthalt in Wien (23. November 1830 – 20. Juli 1831)
= Chopin kam nach einem viertägigen Aufenthalt in Breslau (mit einem Konzert am 8. November 1830) und einer Woche in Dresden mit seinem Freund Tytus Woyciechowski am 23. November 1830 in Wien an. Chopin versuchte vergeblich, den Musikverleger Carl Haslinger, der ihn freundlich empfing, zu bewegen, seine Kompositionen (Sonate, Variationen) herauszugeben. Der Wiener Musikgeschmack hatte sich geändert, sodass er während seines achtmonatigen Aufenthalts – im Gegensatz zu seinem ersten Aufenthalt in Wien – nur ein öffentliches Konzert am 11. Juni 1831 gab. Es fand im Kärntnertortheater im Rahmen der sogenannten Akademien statt. Chopin spielte in diesem Benefizkonzert ohne Honorar sein Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11. Die Presse lobte zwar sein Klavierspiel, aber nicht die Komposition. Chopin verkehrte in dieser Zeit häufig bei dem Arzt Johann Malfatti, der Beethoven behandelt hatte und jetzt Chopin in seinen Phasen der seelischen Niedergeschlagenheit und Unsicherheit betreute. =Folgen des Novemberaufstands (29. November 1830) in Polen
= Anfang Dezember 1830 erreichte Chopin in Wien die Nachricht, dass am Abend des 29. November 1830 der Novemberaufstand gegen die russische Herrschaft in Warschau ausgebrochen war. Woyciechowski verließ Wien, um am Aufstand teilzunehmen, und hinterließ einen einsamen, von Heimweh geplagten Chopin. Nach einem Aufenthalt von über sieben Monaten, den Chopin als enttäuschend empfand, weil er zwar als Pianist Anerkennung fand, nicht jedoch als Komponist und weil er von Sorge über das ungewisse Schicksal Polens geprägt war, verließ Chopin am 20. Juli 1831 Wien. Die komplizierten Ausreiseformalitäten – Chopin war Pole und damit Untertan des russischen Zaren – brachten es mit sich, dass Chopin, trotz seines erstrebten Reisezieles Paris, auf Anraten eines Freundes einen Antrag auf einen Pass nach England stellte, weil er für die Einreise nach Paris weder von den österreichischen noch von den russischen Behörden Unterstützung erhoffen konnte. Sein Gesuch wurde von der russischen Botschaft in Wien abgelehnt. Es gelang ihm aber, ein Visum nach Frankreich zu erhalten. Sein Reisepass trug den Vermerk „passant par Paris à Londres“. Chopin sagte später in Paris öfter scherzhaft, er halte sich hier nur „en passant“ (auf der Durchreise) auf. Chopin hatte jedoch die Absicht, wenigstens drei Jahre in Paris zu bleiben. Er fuhr über Salzburg nach München, wo er am 28. August 1831 in der Philharmonie das Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11 und die Grande Fantaisie sur des airs polonais A-Dur op. 13 spielte. In Stuttgart, das er Anfang September 1831 erreichte, erfuhr er von der Niederschlagung des polnischen Aufstandes und der am 8. September 1831 erfolgten Kapitulation Warschaus. Er setzte die Reise über Straßburg nach Paris fort. Die 650 Kilometer wurden einschließlich der Ruhepausen in etwa zehn Tagen zurückgelegt.Chopin in Paris (1831–1849)
Chopin kam am frühen Abend des 5. Oktober 1831 als ein völlig Unbekannter in Paris an. Er hatte lediglich zwei Empfehlungsschreiben bei sich: eines von seinem Lehrer Józef Elsner für den Komponisten und Kompositionslehrer Jean-François Lesueur, das andere von dem Mediziner Johann Malfatti für den Komponisten Ferdinando Paër, der für eventuelle Kontakte zu Gioachino Rossini, Luigi Cherubini und Friedrich Kalkbrenner wichtig war. Der italienische Komponist und Hofkapellmeister Ferdinando Paër setzte sich bei den Behörden für Chopin ein, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen. Chopin war von Paris fasziniert. Hier lernte er Friedrich Kalkbrenner kennen, den er als Pianisten schätzte und der das Angebot machte, ihn drei Jahre lang zu unterrichten. Damit hätte sich Chopin auch verpflichtet, für diesen Zeitraum auf Auftritte zu verzichten. Kalkbrenner hatte das außergewöhnliche Talent Chopins erkannt und wollte im Musikbetrieb womöglich Konkurrenz vermeiden. Chopin lehnte den Vorschlag ab, in der Sorge, seine persönliche Art des Klavierspiels zu verlieren. Bei Chopins Ankunft in Paris am 5. Oktober 1831 herrschte eine Zeit der wirtschaftlichen Krise, die immer wieder zu Demonstrationen führte. Unruhe, Not und Verbitterung kennzeichneten die Stimmung der Arbeiterklasse. Chopin war in einer schlechten körperlichen und seelischen Verfassung. In einem Brief an Tytus Woyciechowski vom 25. Dezember 1831 beschrieb er seine Lage. In Paris hatte Chopin nach seiner Ankunft am 5. Oktober 1831 erste Kontakte mit polnischen Emigranten, die im Zuge der sogenannten Großen Emigration (polnisch: Wielka Emigracja) aus Polen gekommen waren. Bald war Chopin Gast in den wichtigsten einflussreichen Pariser Salons. Von besonderer Bedeutung für Chopin sollten die „Salons“ genannten Räume des Gebäudes der Klaviermanufaktur von Camille Pleyel in der Rue Cadet Nr. 9 werden. Hier fand am 25. Februar 1832 durch Vermittlung des Pianisten Friedrich Kalkbrenner, der auch Teilhaber der Firma Pleyel war, das erste Konzert Chopins in Paris statt. Es war ein großer Erfolg und legte den Grundstein für die erfolgreiche Karriere Chopins als Komponist, Pianist und vor allem als gesuchter Klavierlehrer von Angehörigen der Aristokratie. Das gedruckte Programm dieses Grand Concert Vocal et Instrumental, donné par M. Frédéric Chopin, de Varsovie ist erhalten. Chopin spielte sein Klavierkonzert in e-Moll op. 11 (nicht das in f-Moll op. 21, wie man lange Zeit glaubte), seine Grandes Variations brillantes sur un thème de Mozart op. 2 und gemeinsam mit Friedrich Kalkbrenner, Camille Stamaty (anstatt des ursprünglich vorgesehenen Felix Mendelssohn Bartholdy), Ferdinand Hiller, George Osborne und Wojciech Sowiński die Grande Polonaise précédée d’une Introduction et d’une Marche op. 92 von Kalkbrenner in einer Bearbeitung für sechs Klaviere. In den 18 Jahren, die Chopin von 1831 bis zu seinem Tode im Jahr 1849 im Wesentlichen in Paris verbrachte, wohnte er in neun verschiedenen Wohnungen. =Wirtschaftliche Situation
= Chopin bestritt seinen Lebensunterhalt in erster Linie mit Klavierunterricht. Zu Chopins Zeit war das Klavier ein weitverbreitetes Instrument, das vorwiegend von Frauen erlernt wurde. Seine große Beliebtheit seit Beginn des 19. Jahrhunderts, die von manchen Beobachtern wie Heinrich Heine in Paris oder Eduard Hanslick in Wien sehr kritisch beurteilt wurde, hat mehrere Gründe. Der Sozialphilosoph Max Weber sagt, dass das Klavier seinem „ganzen musikalischen Wesen nach ein bürgerliches Hausinstrument“ sei. Es eröffnet durch seine, aus der Sicht des Benutzers, einfache Tonerzeugung einen unmittelbaren Zugang, auch für Laien, zu verschiedenen Arten von Musik, vom einfachen Kinderlied bis zur virtuosen Konzertliteratur. Durch seinen frühzeitigen Verkehr in den Pariser Salons der Aristokratie und auch der Welt der Politik und Finanzen, die Protektion der polnischen adeligen Emigranten und nicht zuletzt aufgrund des durchschlagenden Erfolges seines ersten Konzertes in Paris (25. Februar 1832) war Chopin bald ein gesuchter, gut bezahlter Klavierlehrer, dessen Schülerinnen und Schüler vorwiegend aus den Kreisen des Adels und den einflussreichen Milieus von Politik und Finanzen stammten. Chopin hatte ab 1833 ein geregeltes Einkommen, das er durch Honorare für Konzerte und Kompositionen, die er manchmal gleichzeitig Verlegern in Frankreich, England und Deutschland anbot, zusätzlich aufstocken konnte. Wie aus Briefen an seine Freunde hervorgeht, war Chopin von der Entlohnung und dem Umgang mit seinen Kompositionen manchmal enttäuscht. Er hatte dann keine Scheu, beleidigende und – vom heutigen Standpunkt aus gesehen – teils auch antisemitische Äußerungen zu verwenden. Chopin hatte in Paris einen aufwendigen Lebensstil. Er leistete sich eine private Kutsche, hatte Bedienstete und legte Wert auf teure Kleidung. Er unterrichtete täglich etwa fünf Stunden. Das Unterrichtshonorar betrug 20 Francs. (Zur Kaufkraft: Eine Kutschenfahrt durch Paris kostete 1 Franc). Bei Hausbesuchen verlangte er 30 Francs pro Stunde, was einem heutigen Wert von etwa 200 € entspricht. Eine Unterrichtsstunde dauerte 45 Minuten, die er jedoch bei seinen begabten Schülern verlängerte. Der Unterricht bei Chopin wurde zu einem Statussymbol. Er hatte in seiner Pariser Zeit insgesamt etwa 150 Schüler. Insgesamt trat Chopin in etwa 40 öffentlichen Konzerten auf: in Warschau, Bad Reinerz, Breslau, Wien, München, London, Rouen, Manchester, Glasgow, Edinburgh und in Paris. Wie damals üblich, wirkten bei den recht vielseitigen Programmen mehrere Solisten mit, wobei Chopin nicht immer der Hauptsolist war. Manchmal handelte es sich um Benefizkonzerte oder Konzerte anderer Musiker, zu deren Erfolg die berühmten Kollegen durch ihre Teilnahme beitrugen. Chopin zog – im Gegensatz zu Liszt – die intime Atmosphäre der Salons den großen Konzertsälen, in denen sein zartes Spiel nicht zum Tragen kam, vor. =Gesellschaftliches Leben in Paris und Freundeskreis
= Chopin wurde 1832 eines der ersten Mitglieder der am 29. April 1832 in Paris von polnischen Emigranten gegründeten Société littéraire polonaise (französisch „Polnische literarische Gesellschaft“, polnisch Towarzystwo Literackie w Paryżu). Erster Präsident war Fürst Adam Jerzy Czartoryski, Vizepräsident Ludwik Plater.Zu Chopins Zeit wurden in Paris etwa 850 Salons geführt, halb private, in großen Häusern übliche Zusammenkünfte von Freunden und Kunstsinnigen, die sich mit gewisser Regelmäßigkeit, wöchentlich oder monatlich, zum Abendessen, Gesprächen und Musik trafen. Wer in diesen Zirkeln der Pariser Großbürger verkehrte, der hatte es zu gesellschaftlicher Reputation gebracht. Am wohlsten dürfte sich Chopin in den Künstlersalons gefühlt haben, wo er unter seinesgleichen verkehrte und Musizieren und Gedankenaustausch intellektuelles Niveau sicherten.Ein Zeichen für die gesellschaftliche Anerkennung, die Chopin in Paris genoss, ist die Einladung der königlichen Familie, im Palast in den Tuilerien zu spielen. Er erhielt jedes Mal ein Geschenk mit der eingravierten Inschrift: Louis-Philippe, Roi des Français, à Frédéric Chopin („Louis Philippe, König der Franzosen, an Frédéric Chopin“). Zu Chopins Freundeskreis zählten die Dichter Alfred de Musset, Honoré de Balzac, Heinrich Heine und Adam Mickiewicz, der Maler Eugène Delacroix, die Musiker Franz Liszt, Ferdinand von Hiller, und der Cellist Auguste-Joseph Franchomme. Chopin war auch mehrmals Gast beim Marquis Astolphe de Custine, einem seiner glühendsten Verehrer, in dessen Château in Saint-Gratien. Unter anderem spielte er in Custines Salon, etwa die Etüden op. 25,1–2 sowie die damals noch unvollendete Ballade F-Dur op. 38. Von besonderer Bedeutung für Chopin war der gleichaltrige Julian Fontana, mit dem ihn seit der Kindheit eine lebenslange Freundschaft verband. Bis zu seiner Emigration in die Vereinigten Staaten (1841) war er für Chopin unentbehrlich als Kopist, Arrangeur, Sekretär und Impresario, der auch mit den Verlegern verhandelte und sich um die Alltagsgeschäfte seines Freundes kümmerte. Nach Chopins Tod veröffentlichte er – gegen den ausdrücklichen Willen des Komponisten, aber mit Zustimmung der Familie – einige nachgelassene Werke mit den Opuszahlen 66–73 (erschienen 1855) und opus 74 (erschienen 1859).Der Pianist, Musikverleger und Klavierfabrikant Camille Pleyel gehörte von Anfang an zu den wichtigsten Personen in Chopins Pariser Zeit. Es war eine von Freundschaft und gegenseitigem Respekt geprägte berufliche Zusammenarbeit, die beiden zugutekam. Chopin schätzte die Klaviere und Flügel, die Pleyel ihm kostenlos zur Verfügung stellte, als Höhepunkt des Klavierbaus; für Pleyel war Chopin ein geschätzter Werbeträger, wie aus den Verkaufsstatistiken der Firma hervorgeht. =Reisen und Verlobung: Aachen und Karlsbad (1834), Leipzig (1835)
= Im Jahr 1834 zog der Arzt und enge Jugendfreund Jan Matuszyński zu ihm die Wohnung in der Chaussée-d'Antin Nr. 5 und lebte bis 1836 dort mit ihm zusammen. Im Mai 1834 reiste Chopin nach Aachen zum Niederrheinischen Musikfest. Er besuchte Köln, Koblenz und Düsseldorf, wo er Felix Mendelssohn Bartholdy traf, den er bereits aus Paris kannte. Im Sommer reiste er nach Karlsbad, wo er seine Eltern traf. Nach seiner Weiterreise nach Dresden traf er Familie Wodziński 1836 in Marienbad wieder, wo sie zur Kur weilten und es – trotz des Protestes ihres Onkels – angeblich zur Verlobung von Chopin und Maria Wodzińska kam. Marias Mutter bestand aber angeblich darauf, dass diese bis zum Sommer des darauffolgenden Jahres geheimgehalten werde. Auch dafür gibt es keine stichhaltigen Belege.1835 machte Chopin in Leipzig, vermittelt durch Felix Mendelssohn Bartholdy, Bekanntschaft mit Clara und Robert Schumann sowie 1836 mit Adolph von Henselt in Karlsbad. Nur ein Jahr später wurde die angebliche Verlobung mit Maria Wodzińska – wohl auf Drängen ihrer Eltern wegen des angeschlagenen Gesundheitszustands Chopins – angeblich wieder aufgelöst. 1836 zog als Nachfolger von Jan Matuszyński der Pianist, Komponist und enge Jugendfreund Julian Fontana bei Chopin in der Chaussée-d'Antin ein. =Polnischer Patriot
= Trotz seiner Erfolge und starken Verwurzelung im kulturellen Leben von Paris sowie eines großen Freundeskreises polnischer Emigranten sehnte sich Chopin nach Polen und seiner Familie; er litt, wie aus seinen Briefen und Aussagen hervorgeht, unter ständigem Heimweh. Zeitlebens bestand Chopin auf der polnischen Aussprache seines französischen Nachnamens: [ˈʃɔpɛn]. Sein Heimatgefühl und seinen Nationalstolz drückte er besonders in seinen Mazurken und Polonaisen aus. Der Ausdruck der Sehnsucht, Nostalgie und Schwermut (polnisch żal) wurde neben der Betonung des Polentums (polnisch „polskość“) zu einem Merkmal seiner Musik. Als glühender polnischer Patriot stand er ganz auf der Seite des Widerstands gegen das zaristische Russland, das das sogenannte Kongresspolen besetzt hielt. Wenn vor Weihnachten ein polnischer Wohltätigkeitsbasar stattfand, half Chopin bei dessen Organisation. Sein Patriotismus und seine Sehnsucht nach Polen blieben eine Inspirationsquelle für viele seiner Kompositionen. Inspiriert durch den Aufstand entstand seine Revolutionsetüde (Opus 10 Nr. 12).1837 erhielt Chopin über Graf Carlo Andrea Pozzo di Borgo das Angebot, Hofkomponist und -pianist des Zaren Nikolaus I. zu werden. Hintergrund war ein Konzert, das Chopin im Mai 1825 auf einem Aeolomelodicum (einer Orgelvariante) vor seinem Vorgänger, Zar Alexander I. noch in Warschau in der evangelischen Dreifaltigkeitskirche (Kościół Świętej Trójcy w Warszawie) gegeben hatte. Chopin lehnte das Angebot des Zaren ab.Chopin und George Sand
Chopin sah die erfolgreiche Schriftstellerin Amandine Aurore Lucile Dupin de Francueil, alias George Sand, zum ersten Mal im Herbst 1836 bei einem Empfang im Hôtel de France in Paris, wo Franz Liszt und seine Geliebte Marie d’Agoult, aus der Schweiz kommend, abgestiegen waren. Seine erste Reaktion auf diese in Männerkleidung auftretende, Zigarren rauchende Frau war Ablehnung. Der 27-jährige Chopin war wegen einer unglücklichen Liebe zu der damals 18-jährigen Maria Wodzińska in eine Lebenskrise geraten. Maria Wodzińska und George Sand waren jedoch grundverschieden. Im Gegensatz zu Wodzińska war George Sand eine selbstbewusste, provozierende und widersprüchliche Persönlichkeit. Die Initiative für die Beziehung mit Chopin ging von ihr aus. Ihr neunjähriges Verhältnis (bis 1847) mit Chopin, eine Liebesbeziehung, geprägt anfangs von Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung, Zärtlichkeit, aber später auch von Eifersucht, Hass und Misstrauen, lässt manche Fragen offen. George Sand war eine leidenschaftliche Frau, die eine Reihe zumeist jüngerer Liebhaber hatte. Das Verhältnis der damals 32-Jährigen zu dem sechs Jahre jüngeren Chopin war von Anfang an von sehr unterschiedlichen emotionalen und sexuellen Bedürfnissen geprägt. George Sand hat zahlreiche an sie und auch ihre an Chopin gerichteten Briefe vernichtet, was die Beurteilung der Beziehung erschwert. Deutliche Hinweise gibt jedoch ein zweiunddreißig Seiten langer Brief George Sands an Chopins Freund Wojciech Grzymała (1793–1871) von Ende Mai 1838, in dem sie ihn um Rat bat. Sie befand sich in einem Zwiespalt, weil sie noch eine Beziehung zu dem Schriftsteller Félicien Mallefille unterhielt, andererseits aber eine Zuneigung zu Chopin gefasst hatte, über dessen Gefühle zu ihr sie im Unklaren war. Es muss aber auf jeden Fall zu einer näheren Begegnung der beiden gekommen sein. In der Zeit der neun Jahre dauernden Beziehung hielt sich das Paar abwechselnd in Paris und auf George Sands Landsitz, der heutigen Maison de George Sand, in Nohant-Vic, auf. =Aufenthalt auf Mallorca (9. November 1838 – 13. Februar 1839)
= Am 18. Oktober 1838 begann George Sand auf ärztlichen Rat mit ihren Kindern Maurice und Solange eine Reise nach Mallorca. Man erhoffte eine Verbesserung des Gesundheitszustandes von Maurice, der an Rheumatismus erkrankt war. Da Chopin an Tuberkulose litt und sich eine Besserung durch ein milderes Klima erhoffte, reiste er am 27. Oktober 1838 der Familie nach, die ihn in Perpignan erwartete. Nach einer Schiffsfahrt nach Barcelona und einem fünftägigen Aufenthalt begann am 7. November 1838 die Überfahrt nach Mallorca mit dem Ziel Palma, das am 9. November 1838 erreicht wurde. Nach verschiedenen Schwierigkeiten verließ die Gruppe Palma und mietete ab dem 15. November eine schön gelegene Villa in der Nähe, bevor sie aus Gründen der Hygiene — Chopins Lungenkrankheit hatte die Ärzte und Behörden alarmiert – den Ort verlassen mussten und sich schließlich in dem verlassenen Kartäuserkloster in Valldemossa einmieteten, wo sie vom 15. Dezember 1838 bis zum 11. Februar 1839 blieben. Während Maurice sich erholte, stand für Chopin der Aufenthalt in der Kartause von Valldemossa unter keinem guten Stern. Die Räumlichkeiten waren kalt und feucht, das Wetter sehr schlecht. Hinzu kam die ablehnende Haltung der Mallorquiner gegenüber dem nicht verheirateten Paar, und auch der Verdacht, dass das Husten Chopins auf eine ansteckende Krankheit deute. Schon bald zeigten sich bei Chopin alle Anzeichen einer Lungenentzündung, wie George Sand später schriftlich beklagte. Am 13. Februar 1839, nach dreieinhalb Monaten, verließen sie und Chopin die Insel. Trotz der relativen Kürze hatte der Aufenthalt auf Mallorca sowohl Chopin als auch George Sand stark mitgenommen. Aber anders als George Sand, die ihre zum Teil negativen Erfahrungen in dem 1842 erschienenen Bericht Un hiver à Majorque (französisch Ein Winter auf Mallorca) aufarbeitete, reagierte Chopin weniger nachtragend. Der oft zitierte Brief vom 3. Dezember 1838 über die ärztliche Kunst der Mallorquiner ist möglicherweise nicht so sehr boshaft gemeint, als vielmehr Zeugnis seiner Selbstironie, deren Chopin sich oft bediente, um mit seiner chronischen Erkrankung umzugehen.Vor der Abreise hatte Chopin seinen Freund Camille Pleyel gebeten, ihm ein Klavier nach Mallorca zu schicken. Da dieses erst im Januar 1839 eintraf, musste er sich in der Zwischenzeit in Palma und Valldemossa mit einem schlechten Instrument begnügen. Auf Mallorca wurden die 24 Préludes Opus 28 fertiggestellt, zu denen auch die Nummer 15 in Des-Dur, das sogenannte Regentropfen-Prélude zählt. Über den „seltsamen Ort“, in welchem er arbeitete, schrieb Chopin in einem Brief an Julian Fontana vom 28. Dezember 1838 Dieser Brief steht in Kontrast zu dem enthusiastischen Brief, den Chopin aus Palma nach der Ankunft an Fontana in Paris schrieb. Nach Aussagen von George Sand litt Chopin in jener Zeit oft unter Halluzinationen. Spanische Neurologen kommen zu dem Schluss, dass sich die heftigen Visionen am besten mit der sogenannten Schläfenlappen-Epilepsie erklären lassen.Nach der Ankunft auf dem Festland hielt sich die Gruppe über eine Woche in Barcelona auf und traf am 24. Februar 1839 mit dem Dampfer in Marseille ein, wo man auf ärztlichen Rat wegen Chopins Gesundheitszustand drei Monate bis zum 22. Mai 1839 zur Erholung blieb. Eine vom 13. bis 18. Mai 1839 dauernde Seefahrt brachte Chopin und George Sand zu einem Ausflug nach Genua, bevor sie auf der Rückreise über Arles und Clermont am 1. Juni 1839 Nohant erreichten. Hier verbrachte Chopin seinen ersten Sommer im Anwesen von George Sand.Zwei Lebenszentren: Nohant und Paris
Nach der Rückkehr von Mallorca nahm Chopins Leben in Paris einen geregelten Verlauf. Die Winter waren dem Unterrichten, den gesellschaftlichen Veranstaltungen, dem Kulturleben, den Salons und den wenigen eigenen Auftritten gewidmet. Die mehrmonatigen Sommeraufenthalte verbrachte das Paar bis einschließlich 1846 meist auf George Sands ererbtem Landsitz in Nohant. Chopin war insgesamt sieben Sommer Gast in Nohant: 1839 und 1841 bis 1846. Vor allem während der Sommermonate in Nohant fand Chopin die zum Komponieren nötige Zeit. Eine Reihe der wichtigsten Klavierwerke Chopins entstanden in Nohant oder wurden hier bearbeitet. Chopin empfing Freunde, diskutierte mit Delacroix ästhetische Fragen und nahm am Alltagsleben der Familie Sand teil. Er studierte das Belcanto-Repertoire des 18. Jahrhunderts und Luigi Cherubinis Cours de contrepoint et de fugue (deutsch Lehrgang in Kontrapunkt und Fuge).Ab dem 29. September 1842 wohnte und arbeitete Chopin in Paris am Square d’Orleans Nr. 9, in unmittelbarer Nachbarschaft zu George Sand und deren Freundin, der Gräfin Marliani, Ehefrau des spanischen Konsuls, die die Wohnungen vermittelt hatte. =Ende der Beziehung (Juli 1847) und letzte Begegnung (4. April 1848)
= Die Beziehung zwischen Chopin und George Sand endete 1847. Am 28. Juli 1847 schrieb George Sand ihren letzten Brief an Chopin. Der Grund für die Trennung waren die sich seit Jahren aufgestauten Konflikte zweier grundverschiedener, hochsensibler Charaktere. Aus Briefen von George Sand an Freunde lässt sich entnehmen, dass sie das Leben einer, wie sie es ausdrückt, enthaltsamen Nonne und Krankenschwester eines schwierigen, schwerkranken und launischen Genies nicht länger führen wollte. Die familiären Zwistigkeiten wegen ihrer Tochter waren nur der unmittelbare Anlass. Dass ihre Tochter Solange sich dem mittellosen Bildhauer Auguste Clésinger zugewandt hatte, wollte George Sand nicht akzeptieren. Auch Chopin waren Details zu Clésingers unstetem Leben zu Ohren gekommen. Er riet Solange ebenso eindringlich ab – aber letztlich hielt er an seiner Freundschaft zu ihr fest. Er akzeptierte ihren unbedingten Entschluss, Clésinger zu heiraten und zur Not mit der herrischen Mutter zu brechen. Das war der Auslöser für Familienstreitigkeiten, bei denen es zu Handgreiflichkeiten zwischen dem Sohn Maurice und Clésinger beziehungsweise der dem Sohn beispringenden Mutter kam. George Sand und Chopin sahen sich noch einmal zufällig am Samstag, dem 4. März 1848. Beim Verlassen der Wohnung von Charlotte Marliani (18, rue de la Ville-Évêque) traf Chopin auf George Sand. Er teilte ihr mit, dass ihre Tochter vier Tage zuvor Mutter geworden war.Die letzten Jahre (1847–1849)
Im Laufe des Jahres 1847 verschlechterte sich Chopins Gesundheitszustand ernstlich. Eine wirksame Therapie gegen die Tuberkulose war seinerzeit nicht bekannt. Chopins Schülerin Jane Stirling, die bis zum Zerwürfnis Chopins mit George Sand eher im Hintergrund für Chopin gewirkt hatte, nahm sich nach der Trennung des Paares der Anliegen Chopins an und versuchte dessen immer größer werdende materielle Not zu lindern. Am 16. Februar 1848 gab Chopin im Konzertsaal der Firma Pleyel in der Rue Rochechouart Nr. 20 sein letztes Konzert in Paris, das vor einem ausgewählten Publikum stattfand. Es gab nur 300 Eintrittskarten. Das Programm enthielt ein Klaviertrio von Mozart, von Chopin die Cellosonate g-Moll op. 65 (ohne den 1. Satz), ein Nocturne, die Berceuse op. 57, die Barcarolle op. 60, dazu eine Auswahl von Etüden, Préludes, Mazurken und Walzer. Die Kritik stellte das Konzert als ein ungewöhnliches Ereignis heraus (Artikel in der Gazette Musicale vom 20. April 1848). =Reise nach England und Schottland (19. April 1848 bis 23. November 1848)
= Nach dem Ausbruch der Revolution in Paris am 22. Februar 1848, der sogenannten Februarrevolution, die durch die Flucht des Königs nach England und die Proklamation der Republik der Julimonarchie ein Ende setzte, fühlte sich Chopin wegen der anhaltenden Unruhen in Paris immer unwohler. Viele seiner Schüler verließen Paris, seine finanzielle Lage wurde wegen fehlender Einkünfte schlechter. Unter dem Einfluss seiner Schülerin Jane Stirling, die seit Jahren bei Chopin Unterricht nahm und Zuneigung zu ihrem Lehrer entwickelt hatte, fasste Chopin den Entschluss, für eine Zeitlang nach England und Schottland zu reisen, wobei er sich durchaus vorstellen konnte, sich dauerhaft dort niederzulassen. Er verließ Paris am 19. April 1848 und traf am 20. April in London ein. Jane Stirling war mit ihrer verwitweten Schwester vorweg nach London gereist, um Chopins Ankunft vorzubereiten. Die Reise, die insgesamt etwas über sieben Monate dauerte, war für Chopin äußerst anstrengend und brachte ihn an den Rand des physischen Zusammenbruchs, weil Jane Stirling Chopin ein strapaziöses Besuchsprogramm mit Konzerten bei ihrer Familie auferlegte und so die dringend benötigte Ruhe verhinderte. Jane Stirling, die in Chopin verliebt war, hatte sich vergebens Hoffnungen auf eine Heirat gemacht. Er fand sie unattraktiv und langweilig, war aber dankbar für ihre extreme Fürsorge, wenngleich er sich dadurch unfrei und eingeengt fühlte. Chopin wurde bald nach seiner Ankunft in die Salons der Londoner Oberschicht eingeladen, wo er bekannte Schriftsteller wie Charles Dickens kennenlernte und Gelegenheit bekam, seine Finanzen durch das Unterrichten adliger Damen aufzubessern. Am 15. Mai 1848 spielte Chopin anlässlich eines Empfanges im Beisein von Königin Victoria. Es folgten Konzerte in London am 23. Juni 1848 (Programm: Berceuse op. 57, Nocturnes, Mazurken, Walzer) und am 7. Juli 1848 (Programm: Berceuse op. 57, Scherzo h-Moll op. 20, eine Ballade, drei Etüden aus op. 25 [Nr. 1 As-Dur, Nr. 2 f-Moll, Nr. 7 cis-Moll] und einige Préludes). Auf Einladung von Jane Stirling fuhr Chopin am 5. August 1848 nach Schottland. Von hier aus musste Chopin am 28. August 1848 zurück zu einem Konzert nach Manchester, wo er in der Concert Hall im Rahmen eines Orchesterkonzertes vor 1500 Zuhörern Solostücke spielte (eine Ballade, die Berceuse op. 57 und weitere Stücke). In Schottland war Chopin in schlechter körperlicher und seelischer Verfassung und litt unter den ihm aufgezwungenen Verpflichtungen. Es folgten Konzerte in Glasgow am 27. September 1848 (Programm: eine Ballade, Berceuse op. 57, Andante spianato aus op. 22, Impromptu Fis-Dur op. 36, eine Auswahl von Etüden und Préludes, Nocturnes op. 27 und 55, Mazurken op. 7 und einige Walzer) und am 4. Oktober 1848 in Edinburgh. Chopin war von der Reise nach England und Schottland gesundheitlich so mitgenommen und körperlich so schwach, dass er manchmal die Treppen hinaufgetragen werden musste. In mehreren pessimistischen Briefen an Wojciech Grzymała, Marie de Rozière und Solange Clésinger beschreibt er mit drastischen Formulierungen seine körperliche Hinfälligkeit und Illusionslosigkeit seiner Situation. Nach seiner Rückkehr nach London am 31. Oktober 1848 spielte Chopin trotz seines schwer beeinträchtigten Gesundheitszustandes am 16. November 1848 aus Gefälligkeit in der Guild-Hall in einem Benefizkonzert zugunsten polnischer Landsleute. =Letzte Zeit in Paris (23. November 1848 – 17. Oktober 1849)
= In depressiver Stimmung kehrte Chopin am 23. November 1848 von seiner Englandreise nach Paris zurück. Im Ganzen gesehen war der Aufenthalt in England und Schottland ein Misserfolg. Die schwindenden Kräfte, aber auch die wegen der Unruhen nachlassende Nachfrage erschwerten erheblich eine geregelte Unterrichtstätigkeit. Dies führte zu einem finanziellen Engpass, zumal Chopins Ersparnisse fast aufgebraucht waren. Jane Stirling half mit einer größeren Geldsumme aus. Chopins Erschöpfungszustand hielt an. Die Ärzte empfahlen zur Linderung der Beschwerden einen Aufenthalt auf dem Lande. Ende Mai 1849 zog Chopin in eine Wohnung in der damals noch ländlichen Umgebung von Chaillot (Rue Chaillot 74). Am 22. Juni 1849 erlitt Chopin nachts zwei Blutstürze. Die Hoffnung auf Besserung schwand endgültig, als die Ärzte eine Tuberkulose im Endstadium diagnostizierten. Der Gedanke an den Tod hatte Chopin schon sein ganzes Leben begleitet. Sein Vater, seine jüngste Schwester und zwei engste Freunde waren alle an Tuberkulose verstorben. In einem erschütternden Brief vom 25. Juni 1849 bat Chopin inständig seine Schwester Ludwika Jędrzejewicz, mit ihrem Mann und ihrer Tochter zu ihm nach Paris zu kommen. „Ich bin schwach und kein Doktor vermag mir so zu helfen wie ihr“. Sie trafen am 9. August 1849 in Chaillot ein. Nach einer kurzen Besserung rieten die Ärzte zu einem Wohnungswechsel. Die Pariser Freunde und Jane Stirling verschafften ihm dann seine letzte Wohnung an der Place Vendôme 12, die aus drei Zimmern und zwei Vorzimmern bestand.. Sie sorgten auch dafür, dass Chopin in seinen letzten Lebensmonaten keinen materiellen Mangel litt, zumal er wegen seines Gesundheitszustandes weder unterrichten noch komponieren konnte und deshalb zuletzt mittellos war. Am 15. September 1849 empfing er die Sterbesakramente. Am gleichen Tag war Delfina Potocka aus Nizza nach Paris gekommen. Sie sang, sich selbst am Klavier begleitend, zur großen Freude Chopins Arien italienischer Komponisten (Bellini, Stradella, Marcello). Franchomme und Marcelina Czartoryska spielten den Anfang von Chopins Cellosonate op. 65. Ein paar Stunden vor seinem Tod beauftragte Chopin seinen Landsmann Grzymała, nach seinem Ableben alle unvollendeten und noch nicht veröffentlichten Partituren, mit Ausnahme der Skizzen zu einer Klavierschule, zu verbrennen. =Tod und Begräbnis (17. und 30. Oktober 1849)
= Chopin starb am 17. Oktober 1849 um zwei Uhr morgens im Alter von 39 Jahren, wahrscheinlich an Tuberkulose. Nach anderer Vermutung könnte auch Mukoviszidose die Ursache gewesen sein. Gegen diese Vermutung spricht, dass an Mukoviszidose Erkrankte in jener Zeit in der Regel bereits in der Kindheit und Jugend gestorben sind. Bei einer 2017 erfolgten Untersuchung des in Cognac eingelegten Herzens stellte man fest, dass Chopin an einer Herzbeutelentzündung (Perikarditis) litt, die infolge einer Tuberkulose entstanden war.Zum Zeitpunkt seines Todes wachten sechs Personen an Chopins Bett: seine Schwester Ludwika Jędzejewicz, Solange Clésinger, die Tochter von George Sand, der polnische Maler Teofil Kwiatkowski, Abbé Alexander Jełowicki, Chopins Schüler und Freund Adolf Gutmann und der Arzt Jean-Baptiste Cruveilhier. Am darauffolgenden Morgen nahm Auguste Clésinger Chopin die Totenmaske ab und fertigte einen Abguss von dessen linker Hand an. Teofil Kwiatkowski und Albert Graefle malten beziehungsweise zeichneten den Kopf des Verstorbenen. Der Arzt Jean Cruveilher, der Chopin bis zu seinem Ende behandelte, nahm eine teilweise Autopsie vor, bei der er Chopins Herz entnahm. Chopin hatte gebeten, dass sein Herz in die Heimat gebracht werde. Die Leiche Chopins blieb noch zwei Tage in der Wohnung und wurde dann nach der Einbalsamierung in die Krypta der Kirche La Madeleine gebracht. Zu Chopins Totenmesse am 30. Oktober um 11 Uhr in der Kirche La Madeleine kamen etwa 3000 Trauergäste. Als der Sarg von der Krypta in die Oberkirche getragen wurde, spielte das Orchester der Société des Concerts du Conservatoire (französisch Konzertgesellschaft des Konservatoriums) unter der Leitung von Narcisse Girard eine von Napoléon-Henri Reber hergestellte Orchesterfassung des Trauermarsches aus Chopins Klaviersonate in b-Moll opus 35. Weiterhin erklangen auf der Orgel, gespielt von Louis James Alfred Lefébure-Wély die Préludes Nr. 4 in e-Moll und Nr. 6 in h-Moll aus opus 28. Den Abschluss bildete Mozarts Requiem, ein Wunsch Chopins. Der Leichenzug zum Friedhof Père-Lachaise wurde von Fürst Adam Czartoryski und Giacomo Meyerbeer angeführt. An der Seite des Sarges schritten Alexander Czartoryski, der Ehemann von Marcelina, Auguste Franchomme, Eugène Delacroix und Camille Pleyel. Hinter dem Sarg gingen Chopins Schwester Ludwika mit ihrer Tochter Ludka, Jane Stirling und viele, die Chopin nahestanden. Auf Chopins ausdrücklichen Wunsch wurde sein Herz von seiner Schwester Ludwika heimlich in die polnische Heimat gebracht, wo sie es in Warschau in ihrer Wohnung aufbewahrte. (Zum weiteren Schicksal von Chopins Herz: siehe unten.) Die Gesamtkosten der Beerdigung, die von Jane Sterling und Mrs. Erskine übernommen wurden, beliefen sich auf über 4000 Francs. Jane Stirling übernahm auch die Reisekosten von Ludwika und ihrer Tochter Ludka. Sie kaufte den Pleyel-Flügel (Nr. 14810), den Camille Pleyel Chopin zur Verfügung gestellt hatte, die restlichen Möbel und Wertgegenstände Chopins, einschließlich seiner Totenmaske. Aus dem sonstigen Hausrat gestaltete Jane Stirling später in Schottland ein Museumszimmer zum Andenken an Chopin, und sie vererbte diese Gegenstände Jahre später Chopins Mutter nach Warschau. Diese Erinnerungsgegenstände sind zum Teil im Frédéric-Chopin-Museum Warschau (Muzeum Fryderyka Chopina w Warszawie) ausgestellt. Am Jahrestag von Chopins Tod, am 17. Oktober 1850, enthüllte Auguste Clésinger das von ihm gestaltete Grabmal mit dem Medaillon Fryderyk Chopins. Im Innern des Sockels ließ Jane Stirling eine eiserne Kassette deponieren, die verschiedene Objekte enthielt: ein Blatt Papier mit dem Geburts- und Sterbedatum Chopins und dem Satz: „Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“, ferner polnische Erde, ein silbernes Kreuz, das Chopin gehörte, ein kleines Medaillon von Tellefsen und Münzen aus dem Geburts- und Sterbejahr Chopins. Jane Stirling streute die polnische Erde, die ihr Ludovika gegeben hatte, auf das Grab. GedenktafelnChopin als Künstler
Chopin war vielseitig begabt. Neben seinem Talent als Komponist, Pianist, Improvisateur, Virtuose und Klavierpädagoge war auch seine komödiantische Gabe, Personen zu imitieren, bekannt – eine aus außergewöhnlicher Beobachtungsgabe gespeisten Fähigkeit, mit der er oft Freunde unterhielt. Dies Schauspielertalent blieb eine seiner gesellschaftlichen Domänen: 1829 parodierte er in Wien das Auftreten und Benehmen österreichischer Generäle und hatte damit den gleichen Erfolg wie als Pianist. Er nahm auch Zeichenunterricht bei Zygmunt Vogel und nutzte das Zeichnen nicht nur für die Anfertigungen von Karikaturen.Chopin als Komponist
Chopin komponierte fast ausschließlich für das Klavier. Zu den von ihm bevorzugten Formen gehören Mazurken, Walzer, Nocturnes, Polonaisen, Etüden, Impromptus, Scherzi, und Sonaten. Chopins Kompositionen entwickelten sich häufig aus Improvisationen. George Sand beschreibt die großen Schwierigkeiten, die Chopin hatte, seine auf dem Klavier schon vollständig ausgeführten Ideen auf dem Papier festzuhalten. Das Improvisieren hatte damals einen viel höheren Stellenwert als heute, sowohl in der Ausbildung als auch im Konzertgeschehen. Chopin galt als einer der besten Improvisatoren seiner Zeit. Neben reiner Klaviermusik und den beiden Klavierkonzerten (Nr. 1 in e-Moll op. 11 (1830, erschienen 1833) und Nr. 2 in f-Moll op. 21 (1829, erschienen 1836)) komponierte Chopin Werke für folgende Gattungen: Lieder. Sie wurden erst nach seinem Tod (1849) in den Jahren 1859, 1872 und 1910 größtenteils unter der Opuszahl 74 herausgegeben. Kammermusik. Drei Werke für Klavier und Violoncello:– Introduction et Polonaise brillante C-Dur Op. 3 (1829/30),– Sonate g-Moll op. 65 (1845/46),– Grand Duo concertant E-Dur über Themen aus Robert le diable von Giacomo Meyerbeer, ohne Opuszahl (zusammen mit Auguste-Joseph Franchomme komponiert) (1831).– Trio g-Moll für Klavier, Violine und Violoncello op. 8 (1828/29).Inspirationsquellen und Einflüsse Chopin übernahm – und überhöhte – die brillante Virtuosenliteratur. Der Einfluss von Ignaz Moscheles, Friedrich Kalkbrenner, Carl Maria von Weber, Johann Nepomuk Hummel und (der ebenfalls von Elsner ausgebildeten) Maria Szymanowska ist deutlich. Von Elsner in konzentrierter und akribischer Arbeit unterwiesen, feilte Chopin manchmal jahrelang an Kompositionsentwürfen. „Er […] wiederholte und änderte einen Takt hundertmal, schrieb ihn nieder und strich ihn ebenso oft wieder aus, um am nächsten Tag seine Arbeit mit der gleichen minutiösen, verzweifelten Beharrlichkeit fortzusetzen.“Zur Melodik und zum virtuosen Klaviersatz seiner Kompositionen kommt eine hochexpressive Harmonik, die souverän mit Chromatik, Enharmonik und alterierten Akkorden umgeht und neuartige Wirkungen hervorruft. Sein Lehrer Elsner bestärkte Chopin in der Hinwendung zu polnischen Volkstänzen und Volksliedern. Ihre Elemente finden sich nicht nur in den Polonaisen, Mazurkas und Krakowiaks, sondern auch in anderen Werken ohne namentlichen Hinweis. Chopins Leitbilder waren Johann Sebastian Bach, Domenico Scarlatti, Wolfgang Amadeus Mozart und die dem Belcanto verpflichteten italienischen Komponisten wie zum Beispiel Vincenzo Bellini. Auf Elsners Vorhaltung, er würde keine Opern schreiben, entgegnete Chopin, dass Komponisten Jahre darauf warten müssten, bis ihre Opern aufgeführt würden.Chopin als Pianist und Klavierpädagoge
Zeitgenossen Chopins beschreiben sein Spiel beziehungsweise seine Interpretation als veränderlich, niemals fixiert, sondern spontan. „Das gleiche Stück von Chopin zweimal zu hören, war sozusagen zwei verschiedene Stücke zu hören“. Fürstin Maria Anna Czartoryska beschrieb es so: Chopin unterrichtete zwar vorwiegend Schülerinnen und Schüler, die aus Kreisen des wohlhabenden Adels kamen, achtete aber auch bei der Auswahl auf deren Talent. Nur wenige von Chopins Schülern wurden später Konzertpianisten. Einer seiner vielversprechendsten Schüler, Carl Filtsch (1830–1845), starb schon als Jugendlicher. Erfolgreich wurde Marie Moke-Pleyel, die – fast gleichaltrig – zwar nicht direkt als Chopins Schülerin gelten kann, aber als intime Kennerin seiner Musik, und die noch in hohem Alter als Professorin am Königlichen Konservatorium Brüssel lehrte. Chopin lehrte seine Schüler seine sehr persönliche Auffassung von Musik. Die folgende Aussage, Jean-Jacques Eigeldinger nennt sie eine „profession de foi esthétique“ (deutsch: ästhetisches Glaubensbekenntnis), machte Chopin anlässlich eines Gespräches über ein Konzert, das Liszt am 20. April 1840 bei Érard gab. Skizzen zu einer Klavierschule Chopin hinterließ nur Skizzen zu einer Klavierschule, die erst spät veröffentlicht wurden, zuerst von Alfred Cortot (1877–1962) und in jüngster Zeit von Jean-Jacques Eigeldinger, der auch in seinem Werk Chopin vu par ses élèves (deutsch Chopin aus Sicht seiner Schüler) alle die mit diesem Thema zusammenhängenden Probleme behandelt. Chopin bestand auf einem nach zeitgenössischen Maßstäben niedrigen Klavierstuhl, sodass sich die Ellbogen auf gleicher Höhe mit den weißen Tasten befanden. Der Pianist sollte alle Tasten an den beiden Enden der Klaviatur erreichen können, ohne sich zur Seite zu beugen oder seine Ellbogen bewegen zu müssen. Bei der Ausgangslage der Finger liegt der Daumen der rechten Hand auf „e“, der zweite Finger auf „fis“, der dritte auf „gis“, der vierte auf „ais“ (=„b“) und der fünfte Finger auf „h“. Die Finger wurden bei ruhig und unverkrampft gehaltener Hand aus der Grundposition heraus trainiert.Oft gebrauchte er die Wendung „dire un morceau de musique“ (französisch „ein Musikstück aufsagen“), ganz im Sinne des barocken Konzeptes der „Klangrede“ der historischen Aufführungspraxis nach Nikolaus Harnoncourt. Voraussetzung dafür war Chopins unkonventionelle Schulung der Finger. Chopin versuchte nicht, wie auch heute vielfach noch üblich, durch Übungen die naturgegebene Ungleichheit der Finger zu beheben, sondern jeder Finger sollte gemäß seiner Eigenheit eingesetzt werden. So schätzte er den Daumen als „stärksten und freiesten Finger“, den Zeigefinger als „wichtigste Stütze“, den Mittelfinger als „großen Sänger“ und den Ringfinger als „seinen schlimmsten Feind“. Die für einen angemessenen Anschlag notwendige unverkrampfte Handhaltung erklärt Chopins Vorliebe für schwarze Tasten. Sie ermöglicht den längeren Mittelfingern eine angenehme Position als Voraussetzung für ein ebenso virtuoses wie expressives Spiel.Beim Spiel solle die emotionale Beteiligung in die Interpretation einfließen. Chopin war gegen jegliche Manierismen und pathetische Bewegungen. Ein Pianist solle nicht sich und seine Gefühle den Zuhörern präsentieren und sich damit in den Vordergrund stellen, sondern das Werk. Ebenso lehnte er das auf große und laute Show-Effekte zielende Bühnengeschehen nach Art Niccolò Paganinis und Franz Liszts für sich selbst ab. Chopin empfahl, ganz im Einklang mit den zeitgenössischen Klavierschulen (Czerny, Hummel Kalkbrenner) seinen Schülern, die Finger frei und leicht fallen zu lassen, und die Hände in der Luft und ohne Schwere zu halten. Elisabeth Caland wird dies später den „federleichten Arm“ nennen. Beim Spiel der Tonleitern und Übungen sollte zur Erzielung der Gleichmäßigkeit der Akzent auf verschiedene Töne verlagert werden. Hier war Chopin Vorläufer späterer Übepraktiken, zum Beispiel der Klavierpädagogik Alfred Cortots, wo die rhythmischen Varianten bei der Überwindung technischer Probleme empfohlen werden. Chopin gebrauchte oft den Begriff „souplesse“ (französisch „Geschmeidigkeit“). Sie war die Grundlage eines physiologis